Ist die derzeit praktizierte Trainingssteuerung im Gewichtheben mittels computerunterstützter Trainingsplanung in dieser Form überhaupt sinnvoll?

von Peter Krinke (9-2009)

Zur besseren Verständnis gehe ich zurück bis 1960 zu den Olympischen Spielen nach Rom: Im Gewichtheben gab es mit Drücken, Reißen und Stoßen noch 3 Disziplinen. Die Pause zwischen Aufruf und Beginn der Hebung betrug 3 min. Es gab noch keine fernsehgerechte Aufteilung mit nur 8 bis 10 Akteuren. So kam es öfter vor, dass in der Abendgruppe 12, meistens aber mehr Heber antraten.  
Bei beispielsweise 12 Athleten x 9 Versuchen und der 3 min. Regel vom Aufruf bis zum Heben der Hantel war es normal, dass der Wettkampf wenn er abends um 18 Uhr begann erst gegen 24 Uhr endete.  Das erforderte gegenüber der heutigen Zeit, auch bedingt durch die damals zusätzliche Disziplin Drücken, einen etwas anderen Hebertyp mit spezielleren konditionellen Vorrausetzungen.

 Ehemalige Spitzenheber, wie der Olympiasieger Arkady Vorobiew, der inzwischen studiert und promoviert hatte und Andere wie Falamejow und Roman gingen dazu über, diesen hohen Anforderungen mit wissenschaftlichen Ansätzen zu begegnen, Analysen zu erstellen und das Gewichthebertraining in Trainingssysteme zu fassen. Die Trainingsysteme wurden dann nach Wegfall des Drückens (1972) noch mal angepasst und "etwas verfeinert".  Während meiner Ausbildung bis zum A-Trainer 1986, in der diese Trainingssteuerung und Auswertung das tragende Thema war, bekam ich diese Methodmit auf meinen weiteren Trainerweg. Da ging es um den Umfang des gehobenen Gewichtes in Kilogramm bzw. Tonnen, um das mittlere Hantelgewicht, das relative Hantelgewicht, die Intensität und relative Intensität und noch einiges mehr. Das wurde dann auch noch in Statistiken, d. h. in Kurven, Tabellen und Balken verpackt.  Ich habe später festgestellt, Statistiker sind verliebt in ihre Statistiken. Statistiken kann man auslegen wie man will.

 

Ich begann diese "Herausforderung" mit einigen Sportlern anzuwenden, darunter auch ein zur Weltklasse zählender Athlet. Ich musste damals täglich mit dem Taschenrechner arbeiten um den Überblick und Anschluss meiner aktuellen Trainingsdaten zu halten.  Inzwischen wurde eine Rechensoftware entwickelt die diese Dokumentation erleichtert. Die Trainingsplanung wurde aber meiner Meinung nicht den  neuesten Erkenntnissen angepasst.  Die Arbeit mit dem System gibt dem Trainer aber immerhin den Anschein einer bedeutenden Kompetenz. Darauf komme ich später noch zurück.

 

 Es dauerte jedoch nicht lange, da hatte ich von dieser Form der "Trainingssteuerung" genug und fühlte mich jeglicher Intuition und Kreativität beraubt - auch weil ich das Gefühl hatte, dass mit dem Verfahren etwas nicht stimmt.  Zufall war es, dass ich zu dieser Zeit mit einer sehr bekannten Persönlichkeit im BVDG ein Gespräch hatte, die noch heute als Hobbytrainer arbeitet.  Es ging darum, ob ich auch gemerkt hätte, dass man die Hilfsübungen wie z.B. Zug breit zum Reißen oder Zug eng zum Umsetzen mit wesentlich höheren Steigerungsraten trainieren konnte, auch ohne das sich die Leistung in den klassischen Disziplinen verbessern ließ.

 Unbewusst war mir das schon geläufig. Dieser Anlass gab mir aber die Initialzündung der Sache auf den Grund zu gehen und fand da einiges heraus.  Seitdem habe ich meine eigene Trainingsmethodik- und Philosophie entwickelt, die auf sensible Beobachtung der Athleten und logische Erkenntnisse basiert.  

 

Das oben genannte Verfahren wurde durch die Rechensoftware noch weiter ausgeweitet und dadurch insgesamt noch mehr verkompliziert.  So hat man quasi eine "Schablone" erschaffen, die auch wie das " festgezurrte Leitbild" in der Technik, einen Trainer in seinem logischem Denken und auch seine Beobachtungsgabe- die wichtigsten Vorraussetzungen für seine Tätigkeit - im mindesten Fall nur einschränkt.

 

In der genannten Trainingsplanung und Berechnung wird in Umfang, Wiederholungen, mittlerer und relativer Intensität in kg von 100% der Zielleistung ausgegangen und dann über Zyklen von ca. 20 Wochen berechnet.

Im Prinzip gilt diese Systematisierung für alle Sportler bezogen auf die Endleistung. Ausgegangen wird aber von einer relativ gleichen physischen Ausgangslage aller Sportler.

 

 Dabei werden jedoch entscheidende Parameter nicht berücksichtigt wie:

  • der Weg der Hantel,
  • die Geschwindigkeit der der Hantel,
  • der Muskelfasertyp des Sportlers und dadurch seine spezielle Wiederholungstoleranz
  • die neuromuskuläre Veranlagung (Die Fähigkeit, Leistungen in einer bestimmten Häufigkeit im Maximalbereich zu realisieren).
  • Qualität des Trainings (Synchronität der Übungen zu Reißen und Stoßen).
  • der individuelle Metabolismus des Sportlers.

Siehe auch unter den bisherigen Veröffentlichungen 1 bis 6.

 

Dazu ein Beispiel:
3 Kurierfahrer erhalten den Auftrag eine Sendung von Köln nach Frankfurt-Flughafen (ca. 200 km) in 80 min. zu transportieren. Dem 1. Fahrer steht ein

Ferrari zur Verfügung, der 2. fährt einen alten VW-Käfer, bei dem 3. steht eine neue 1000er Kawasaki bereit.  Allen drei wird für diese Aktion 15 Liter Sprit zugestanden.  Es ist auch für den Laien zu erkennen wer mit diesen Vorgaben regulär den Auftrag erfüllen kann.

 

Nun ein Beispiel von 2 Sportlern bei der Übung Reißen mit der gleichen Bestleistung von 100 kg:

Sportler 1 >> 1,55 m groß, maximale Zughöhe der Hantel 1,15 m, maximale Beschleunigung (v-max) 1,75 m-s

Sportler 2 >> 1,80m 1,50 m 2,10 m-s

Es ist einleuchtend, dass diese 2 Athleten einen ziemlich unterschiedlichen "Aufwand" betreiben. Sportler 2 muss durch die höhere Beschleunigung,

eine höhere Intensität und durch die längere Wegstrecke auch insgesamt mehr Leistung erbringen. Es ist auch nachvollziehbar, dass Sportler 2 nicht optimal trainiert wenn er mit den Trainingsdaten von Sportler 1 verplant wird.

Von diesem Beispiel leiten sich alle weiteren Gewichtheberübungen ab.

Klar ist aber auch, wenn jemand trainiert, macht er (meistens) auch Fortschritte. Die Frage ist nur, mit welchem Aufwand und kann er sein Potential damit ausschöpfen?

 

In den von mir vorgestellten Trainingskonzepten "Optimales Krafttraining und Trainingsmethoden...." weise ich noch einmal darauf hin, dass im

 konkreten Einzelfall eine individuelle, im o.a. Sinne, Einstellung erforderlich ist.