Spezieller, fundamentaler Trainingsaufbau im Gewichtheben für Fortgeschrittene
von Peter
Krinke
2/2015
Wie sich die bisherigen BVDG Trainingsverfahren am Beispiel einzelner deutscher Spitzenheber auswirken
Ein Opfer dieser Trainingsmethoden sehe ich in dem 1A-Krafttalent Jürgen Spieß. Als 16-Jähriger (2000) erzielte Jürgen mit 75 kg Körpergewicht 267,5 kg im 2-Kampf (120/147,5) und zeigte
damit sein großes Talent. Kurze Zeit später wurde er über die Bundeswehrsporttruppe ins Bundes-Leistungszentrum Leimen abkommandiert. Mit 25 Jahren (2009) wurde Jürgen, trotz der
Trainingstorturen in den Jahren zuvor, Europameister. Sein größter Erfolg waren 390 kg (178/212) mit seiner absolut besten Leistung. Danach wechselte Jürgen in die 105 kg-Klasse.
Es folgte ein offensichtlich ungeeignetes Training – insbesondere zu einem Gewichtsklassenwechsel. Es wurden nicht die unbedingt erforderlichen Wiederholungszahlen systematisch auf
Hypertrophie ausgerichtet. Dazu wären mindestens auf die Dauer von 9 Wochen speziell ausgerichtete Trainingsblöcke nötig gewesen, um die für Gewichtheben benötigten Muskelgruppen zu
entwickeln. Man konnte und kannte jedoch nichts andere als Satzzahlen statt Wiederholungszahlen.
Außerdem war der Trainingsumfang viel zu hoch und enthielt zu allem Überfluss noch einige unspezifische Übungen.
Eine derartig schlichte Denkweise über Trainingsverfahren, die notwendig sind um solche hochmotivierten Weltklasse-Talente optimal entsprechend ihrer Kapazität und Möglichkeiten richtig
aufzubauen, ist kaum zu glauben.
Nochmal: Mit den BVDG Trainingsverfahren die damals und heute aus mehrmaligen Trainingseinheiten am Tag, großen Umfängen bei zu großer Anzahl und ungeeigneten Übungen
bestehen, wird immer wieder in die Reparaturphase der Muskulatur hinein belastet. So werden Kraft und Muskulatur deutlich langsamer aufgebaut, als wenn die Belastungsreize erst wieder gesetzt
werden, nachdem die Muskulatur regeneriert ist.
Ein großer Trainingsumfang mit oft mehreren TE am Tag und wirkungsvoller Intensität ist effektiv nur möglich, wenn die Regeneration massiv mit Dopingmitteln verkürzt werden
kann!
Wie außerdem die Übungsausführung mit speziellen Übungen so gestaltet werden sollte, dass mehr Muskelmasse statt
Fett aufgebaut werden kann, wurde zuvor schon beschrieben.
Nicht nur bei Jürgen Spieß kam noch dazu, dass sich nach den EM, bereits im Alter von 25
Jahren (oder schon einige Jahre früher) eine ganze Anzahl Verschleißerscheinungen einstellten, deren Ursachen eindeutig in den übermäßigen Trainingsbelastungen in den letzten 8 Jahren zu sehen
sind.
Der Gewichtsklassenwechsel, das falsche Training und wohl auch eine nicht passenden Ernährung führten dazu, dass Jürgen von den 11 kg mehr Körpergewicht deutlich mehr Körperfett statt Muskulatur zulegte. In der höheren Gewichtsklasse konnte er seine Leistung von 390 kg aus der 94-kg-Klasse nie mehr erreichen.
Seine relative Leistung wird er durch diese Fehlentwicklung nie mehr auch nur annähernd wiederholen können (siehe auch Aussage von Prof. Hartmann).
Matthias Steiner wurde mit der gleichen Methode Olympiasieger. Deswegen hält man sie natürlich für erfolgsversprechend.
Er hatte nach dem Aufstieg aus der 105 kg Klasse und 40 kg Körpergewichtszunahme ein Gewicht von 145 kg. Angeblich waren es nach dieser Gewichtszunahme nur 25 % Körperfett. Trotzdem schleppte er demnach noch mindestens 37 kg Speck mit sich herum.
Ich bin überzeugt, dass Matthias die 56 kg mehr an 2-Kampfleistung auch mit etwa 125 kg Körpergewicht erreicht hätte.
Dazu wäre ein für ihn optimales Training und eine entsprechend angepasste proteinreiche Ernährung notwendig gewesen.
Um diese Leistungssteigerung im Verhältnis nochmal zu verdeutlichen wären das pro 10 kg Körpergewicht gerade mal knapp 12,5 kg mehr einmaliger Leistungszuwachs.
In den Folgejahren bis 2012 kam Matthias Steiner mit seiner besten Leistung in diesem Zeitraum dann bei von nur 440 kg bei weitem nicht mehr an seine Bestleistung der OS dran und dass bei
noch weiter gestiegenem Körpergewicht bis auf 150 kg (siehe auch J. Spieß).
Mit einer optimalen Gewichtszunahme von 20 kg hätte
er seinen durch Diabetes schon belasteten Organismus nicht mit einer solchen Tortur drangsalieren müssen.
Der körperlich größere Chigichev lag mit 125 kg Körpergewicht zudem auf etwa dem gleichen Leistungsniveau wie Steiner.
Ein Beispiel ist auch Alexej Prochorow. Mit 10 Jahren hatte er schon mit Gewichtheben angefangen und war von Anfang an ein „Vieltrainierer“. Ich behaupte, dass er dann zum „Suchttrainierer“ wurde. Daher machten sich schon früh in jungen Jahren gesundheitliche Ausfallerscheinungen bemerkbar.
Ich sah Alexej bei Jugend-Hessenmeisterschaften zum Beispiel unmittelbar vor seinem Wettkampf sein komplettes schweres Kniebeuge-Programm ausführen!
Immer wieder wird Alexej während seiner Karriere von Kreuzschmerzen geplagt. In 2012 wurde beobachtet wie der 1.92 große Heber in Leimen, um seinen Rücken noch stärker
zu machen, Zugübungen von auf mindestens 10 cm hohen Blöcken stehend ausführte. Völlig irre so etwas!
Damit setzte man dem üblichen Wahnsinn noch einen drauf. Chirurgische Eingriffe im Rücken waren dann das Ergebnis dieser „Superkompensation“.
Jetzt mit 24/25 Jahren ist er, nach der „Zielplanung“ des BVDG in der „Vollbelastbar-Phase“ angekommen. Er startete aber bei der WM in der C-Gruppe, das heißt mit Hebern die bei den Meldungen zu einer WM in der Leistung ab etwa Platz 20 der teilnehmenden Sportler eingestuft werden.
Ohne Zweifel ist Alexej ein Talent und besitzt eine sehr professionelle Einstellung zum Leistungssport - seine deutschen Jugendrekorde wurden bisher noch nicht überboten.
Solche „perfekt nach BVDG-Kriterien ideal aufgebauten“ Athleten werden nach Stagnation dann an Folgetrainer „weitergereicht“. Die haben es dann sehr schwer noch Leistungssteigerungen
hervor zu zaubern.
Sportler wie Spieß, Prochorow und auch fast alle anderen derzeitigen Kaderathleten sind nach diesen allumfassenden Positionen des langfristigen
BVDG-Leistungsaufbaus, wie mit den Lauf- Hüpf- und Wurfspielchen präpariert worden. Heberbohlen wurden zu Messplätzen und neben der perfekten Trainingsmethodik wurde ein Leitbild zur technischen
Perfektion für „Alle“ erklärt.
Mit WinWota, dem computergestützten Trainingsprogramm (hört sich unheimlich wichtig an), wird alles verwaltet und aufgelistet. Ich persönlich kann nichts damit anfangen (siehe auch in
Kapitel 7 von Mai 2009).
Dazu wurde bei denen, die es mit sich machen ließen, noch eine „Gehirnwäsche“ nach Dr. Steven Reiss durchgeführt, wobei der Sportler persönliche Angaben in 128 Fragen beantworten muss.
Diese sogenannte Reiss-Methode orientiert sich an den Inhalten des Scientology-Gründers Ron Hubbard (siehe auch Kapitel 11 vom 5.7.2011 im unteren Drittel) und soll angeblich zur „maximalen Motivation“ führen. Sie wurde etwas geglättet damit die Sportler
diesen „unnötigen Aufwand“ folgsam ausführen.
So etwas sollte man eigentlich erst im Tierversuch testen - ob zum Beispiel Hühner im Wochendurchschnitt statt fünf dann acht Eier legen.
Bei dieser Methode stellt sich bereits im ersten Themenkomplex die Frage nach Macht-Einfluss, Leistung, Führung, Kontrolle und wird benotet.
Dies ist aber gerade das große Problem des BVDG, weil sich seit geraumer Zeit immer mehr alles auf eine Person bezieht und dadurch mit zunehmender Geschwindigkeit der kontinuierliche Untergang des einstmals so herrlich dastehenden deutschen Gewichthebens verursacht wird.
Zu diesem Thema werde ich nochmal ausführlich zurück kommen!
Alles ist im BVDG laut eigenem Bekunden von allererster Sahne. Wir fangen schon 10 jährige Kinder für das Gewichtheben von der Straße weg.
Wir kümmern uns um den breit angelegten physischen Unterbau. Wir haben die perfekten Trainingsmethoden, die perfekte Technik, die perfekte Kontrolle und vieles mehr.
Warum holen dann die Anderen die Medaillen und unseren spitzenmäßig ausgebildeten Athleten verbleibt mit Glück mal eine goldene Ananas?
Immer mehr Sportler aus kleinen Nationen und sogenannten Schwellenländern wie z.B. Kolumbien, Vietnam, Japan, Brasilien, Lettland, Estland, Slowakei, Venezuela, Thailand oder Ägypten verdrängen bei der WM unsere auf den Punkt verplanten und konzentrierten Hochleistungssportler - die dazu größtenteils Vollprofis sind - nicht auf die 4. oder 5. Plätze, sondern eher von den 14. auf die 15. Plätze.
Dies können sie trotz oft ungünstiger Klimabedingungen und Ernährungsmangel und Rumpelkammern, statt Trainingsstätten mit „Vollvermessung“ - in Ländern in denen manchmal Krieg herrscht.
An Talent fehlt es unseren Athleten sichtbar nicht. Die verantwortlichen Funktionäre sind im vorigen Jahrtausend stecken gebliebenem. Bei ihnen dreht es sich nur noch um Macht-Einfluss, Führung und Kontrolle mit teilweise recht seltsamen "Spielchen". Auf diese Weise wird das menschliche Kapital des BVDG vernichtet statt genutzt.
„Die Denkmuster ändern sich langsamer als die Wirklichkeit.“ Das haben wir schon immer so gemacht und der ist damit Weltmeister geworden und... und.. mehr Kompetenz gibt’s nicht und unser Leitbild (Leid), unser Trainingsmittelkatalog (Omas Kochbuch) sind... alles vom Besten.
Ich kann`s nicht mehr hören und begreifen, wie das deutsche Gewichtheben sich sehenden Auges stur und nicht reformierbar in den Abgrund stürzt!
Der Wettkampfkalender - laienhafter geht's nimmer!
Der macht es unmöglich für unsere besten Sportler gezielt, die unbedingt notwendigen systematisch auszuführenden Aufbauphasen in Ruhe durchzuziehen.
Da werden die Ligawettkämpfe in den ungünstigsten Monaten festgelegt. Überwiegend im Winter - warum?
Allein wegen der im November beginnenden Fastnachtzeit müssen viele Wettkämpfe wegen belegter Hallen verschoben werden. Wetterbedingt findet man nicht immer Fahrer für Auswärtskämpfe
oder es muss abgesagt werden.
Hier ein günstigeres Beispiel für eine EM –Vorbereitung mit Einbindung in die Ligakämpfe:
Geeignet wäre: Woche 2
+ 3 Sarkoplasmatisches Training
4 bis 12 Fundamentales Aufbautraining
13 – 15 Wettkampfsaison und 1.
Wettkampf in 15
(Bundesliga
oder Blaue Schwerter)
17 oder 18. Woche EM
Anschließend alle 2 bis 3 Wochen Ligakämpfe
Danach komplett mindestens 3 Wochen Urlaub ohne jegliches
Hanteltraining
z.B. WM-Saisonvorbereitung:
Woche 30 + 31
Sarkoplasma
32-40 Fundamentales Aufbautraining
43 Bl oder DM
45 DM oder BL
47/48 WM
49/ 50/51? BL (Endk)?
Pause komplett ohne Hanteltraining mindestens 2 (3) Wochen.
Der spezielle Trainingsaufbau aus Kapitel 3 kann für bestimmte Athleten und zu speziellen Wettkämpfen bzw. in Kombination unter bestimmten Bedingungen, d.h. auch wechselweise, zu dem in diesem Kapitel vorgestellten fundamentalen Aufbau angewendet werden.
Bei den allgemeinen Jugendlichen/Anfängern sind kürzere Trainingsperioden, wie u.a. in Kapitel 3 aufgeführt, günstiger und eher angebracht.
Die frühe Rekrutierung von Kindern für das Gewichtheben und die schnelle Ausweitung der Trainingsbelastung bei Jugendlichen führt dazu, dass später der vermeintliche Vorsprung mit erhöhter Verletzungsanfälligkeit und längeren Ausfallzeiten bezahlt werden muss.
Je früher Jugendliche mit dem Gewichtheben beginnen, umso früher hören sie auch meist wieder damit auf, weil sie in ihren Interessen und Möglichkeiten zu eingeengt werden. So erreichen sie im
aktiven Sport erst gar nicht das Alter, das für Spitzenleistungen und deren Ausbau von Interesse wäre.
Ich halte den Beginn des Gewichthebens schon im Kindesalter aus Erfahrung für kontraproduktiv und sicherlich lässt sich dies in unabhängigen Statistiken auch nachweisen.
Da es aber Trainer gibt, denen es unheimlich Spaß macht und die sich dazu berufen fühlen Kindern Gewichtheben beizubringen, sollte es diesem Personenkreis überlassen werden seine
Kreativität und das Ausmaß seines Engagements selbst zu bestimmen. Schlimm genug, wenn jetzt noch nach dem neuen
unsinnigen, starren und alle über einen Kamm scherenden Leitbildern die Technikbewertung erfolgen sollte.
Damit tritt man nur noch die letzten verbliebenen "Gewichthebe-Fünkchen" aus!
Jugendliche die zum Gewichtheben kommen, wollen auch Gewichtheben trainieren. Sie wollen nicht durch Maßnahmen beglückt werden die angeblich eine breit umfassende „Grundlage“ liefern sollen.
Sinnvolles und Notwendiges fällt einem guten und erfahrenen Trainer ein und er braucht damit
in seinem Handeln nicht extra schulmeisterlich von der sportlichen Führung des BVDG, wie aktuell mit Nachahmung von CrossFit-Methoden, gegängelt zu werden.
Diese hat anders als die vielen Vereins- und Jugendtrainer von der Ausbildung von Anfängern sowieso kaum
Ahnung.
Mit dieser Meinung stehe ich beileibe nicht alleine da.
Es ist kaum zu glauben welche Phantasievorstellungen es über dieses Thema gibt und wie wenig Wissen über die Vereine und deren Möglichkeiten vorhanden ist. Leider ist die Tendenz
immer schlechter werdend. Das ganze Vorschrifts-Scenario wirkt immer mehr auf mich so, als sollte der Mensch sich zum Affen zurück entwickeln.